Saguaro - was ist das?

 

 Im "Saguaro National Park", Arizona/USA, 2011

 

 

Jeder kennt sie, aber wohl die wenigsten wissen ihren Namen: Saguaro. Und ihren wissenschaftlichen Namen wissen vermutlich noch weniger: Carnegiea Gigantea, benannt nach demselben US-amerikanischen Industriellen, auf den auch der Name der New Yorker "Carnegie Hall" zurückgeht. Aber gemalt haben wir sie wohl alle als Kinder. Die Rede ist von den großen Kakteen mit den hochgereckten Armen, die sie wie Leuchter aussehen lassen. In unzähligen Western gaben sie die Kulisse ab, in der raubeinige Cowboys von einem Abenteuer zum nächsten ritten, die untergehende Sonne im Rücken. Die glühende Sonne, die dieses Land ausdörrt, die zugleich aber den "Leuchter-Kakteen" sowie einigen verwandten Arten den idealen Lebensraum bietet.

Wir sind den Saguaros in der Nähe von Tucson begegnet, einer Stadt in der Sonora-Wüste im südlichen Arizona, fast schon an der Grenze zu Mexiko. In dieser Gegend gibt es die größten Bestände dieser imposanten Pflanzenart, weshalb die amerikanische Regierung hier einen Nationalpark eingerichtet hat. Glühend heiß ist es noch nicht, als wir dem "Saguaro National Park" einen Besuch abstatten, es ist Anfang Mai. "Im Juli und August ist es hier ganz anders", erklärt uns ein Park-Ranger im Visitor Centre. "Dann ist es so heiß, dass man es draußen kaum aushalten kann." Den Kakteen macht das nichts aus, sie haben sich dem Klima auf perfekte Weise angepasst. Mittels eines flachen Wurzelsystems können sie noch den geringsten Niederschlag aufnehmen und in ihrem Stamm speichern, die Verdunstung haben sie auf ein Minimum reduziert. Üblicherweise bis zu 15 m hoch, können einzelne Exemplare auch schon mal 20 m erreichen. Auch das Alter dieser Kakteen ist eindrucksvoll. 200 Jahre zählen manche, der Durchschnitt beträgt immerhin noch stolze 85 Jahre. Den größten Teil dieser Zeit existieren die Saguaros nur als eine Säule, erst mit 65 Jahren bilden sich jene Arme heraus, die ihnen ihr charakteristisches Aussehen geben. Wobei die Arme nur in seltenen Fällen die Leuchterform aufweisen, die wir damals gemalt haben. Aber vielleicht ist dies ja gerade die Form, die uns am besten gefällt.

Bleibt die Frage, die wir uns gestellt haben, als wir neben einem besonders hochgewachsenen Saguaro standen: Wenn diese Kakteen in ihrem schwammartigen Inneren Wasser speichern und sie dadurch zum größten Teil aus Wasser bestehen, wenn sie auf diese Weise ein Gewicht von bis zu sechs Tonnen erreichen - warum brechen sie eigentlich nicht unter ihrer eigenen Last zusammen? Wenig später stoßen wir auf die Lösung des Rätsels, als wir ein röhrenförmiges, dem Durchmesser der Säulen entsprechendes Gebilde aus hölzernen Streben entdecken. Es ist das Skelett eines Saguaro, das ihm seine Stabilität verliehen hat. Stirbt der Kaktus, so vergeht zunächst sein "Fleisch", während die "Knochen" erhalten bleiben. Zumindest eine Zeit lang, bis sie ebenfalls den Weg alles Irdischen gehen und an der dann frei gewordenen Stelle womöglich ein neuer Saguaro heranwächst, dieses wohl markanteste Symbol des amerikanischen Westens.

 

Manfred Lentz