Toll, aber tot
Vier Wochen auf Kuba mit dem Auto unterwegs. 2015
 
"Nach Kuba?", haben uns Verwandte und Freunde gefragt, "wieso ausgerechnet nach Kuba?" Ja, wieso eigentlich? Oder wieso eigentlich nicht? Kuba - irgendwie hat das doch was. Etwas Exotisches, Ungewöhnliches, etwas abseits der üblichen Ziele, die einem sonst so durch den Kopf gehen, wenn man sich Gedanken über die schönsten Wochen des Jahres macht. Nicht aus der Welt, aber doch irgendwie abgelegen. Immer noch sozialistisch, obwohl das "sozialistische Lager" inzwischen fast vollständig zusammengebrochen ist und dem Wort Sozialismus der Ruch des Versagens anhaftet. Der kleine David, der dem mächtigen Goliath so lange erfolgreich die Stirn geboten hat, bis dieser sich kürzlich entschloss, sein Verhalten gegenüber David zu ändern. Ein Land, dessen erster Mann die 80 deutlich überschritten hat, was die spannende Frage aufwirft: Was kommt danach? Und dann war da noch das, was man sonst über Kuba so wusste - etwa die alten Autos, die es in dieser Fülle sonst nirgends gibt, und natürlich die Musik, deren Erwähnung seit "Buena Vista Social Club" bei vielen Zeitgenossen leuchtende Augen hervorruft. Einige, mit denen wir sprachen, waren sogar schon mal selbst auf Kuba gewesen. Wobei ich nicht an unsere "Brüder und Schwestern" denke, die wegen ihrer Staatstreue das Privileg genossen hatten, bereits zu DDR-Zeiten "zu Castro" fahren zu dürfen. Von denen kenne ich keine. Ich denke vielmehr an diejenigen auf meiner Seite der Mauer, die nach Kubas Öffnung für den internationalen Tourismus in den 1990er Jahren auf die Karibikinsel geflogen waren - in abgeschottete Refugien, die der Staat eingerichtet hatte, um an Devisen zu gelangen. All inclusive-Hotels an Traumstränden, die aber ebenso gut auf Mallorca oder in Kenia hätten liegen können, mit Pool, Bar und Buffets und allenfalls noch einer Schnuppertour zu den "echten" Kubanern jenseits des Hotelpersonals. Von daher war Kuba natürlich längst keine touristische Terra incognita mehr. Aber es war eben auch kein normales Reiseziel wie die meisten anderen Länder dieser Welt. Es war ein Ziel mit einem ganz besonderen Reiz.
 
 
Der Gedanke, dass auf Kuba womöglich schon bald die ersten McDonalds und Starbucks eröffnen könnten und das "alte" Kuba irgendwann kaum noch wiederzuerkennen sein würde, gaben schließlich den Ausschlag für unsere Reise. Vier Wochen sollten es sein, nicht All inclusive, sondern mit einem Auto quer über die Insel. Womit sich die Frage stellte, wie wir die Sache am besten angehen sollten. Ein Auto mieten, von einem sehenswerten Ort zum anderen fahren und die Unterkünfte dem Zufall überlassen? Geht das in diesem sozialistischen Land so einfach, gibt es genügend Hotels, oder stehen wir abends vor verschlossenen Türen? Und welche Ziele wollten wir ansteuern, was gibt es auf der Insel überhaupt zu sehen? Doch wir leben ja im Zeitalter des Internets, und bevor wir uns an das Studium der einschlägigen Reiseliteratur machten, gaben wir bei Google die Begriffe "kuba" und "reisen" ein und klickten. Eine halbe Sekunde später erschien die übliche Million Treffer, darunter gleich auf der ersten Seite einer, der uns interessant erschien: ErlebeKuba. Warum gerade diese Adresse? Vielleicht weil es genau das war, was wir wollten, eben Kuba erleben. Also ein weiterer Klick um zu schauen, was die Firma zu bieten hat. Wobei die Firma eigentlich Erlebe-Fernreisen heißt. ErlebeKuba ist nur eine einzelne Abteilung, so wie es Abteilungen für andere Länder gibt. Allerdings ist das Konzept bei allen das gleiche: ErlebeX unterbreitet Vorschläge für Reiseziele und organisiert mit Partnern vor Ort die Tour. Bestellt das Auto, bucht die Unterkünfte und bietet von englischsprachigen Guides geleitete Exkursionen an.
 
Ein Konzept, das uns auf Anhieb gefallen hat. Vorschläge für lohnenswerte Reiseziele von Leuten zu erhalten, die das Land kennen, heißt, dass man sich nicht erst selbst aufwändig in das Land einlesen muss, außerdem minimiert es die Gefahr, die falschen Entscheidungen zu treffen. Dass man sich dabei über die "lohnenswerten" Ziele streiten kann, ist klar, schließlich hat jeder seine eigenen Prioritäten. Aber wenn man von einem Land noch überhaupt keine Ahnung hat außer ein wenig allgemeines Wissen, dann ist es bestimmt nicht die schlechteste Idee, sich bei der Zusammenstellung der Tour von Kennern an die Hand nehmen zu lassen. Das Gleiche gilt für die Unterkünfte - ein Thema, über das wohl jeder Individualreisende, der nicht vorab gebucht hat, ein Lied singen kann. Ein schlechtes nur allzu oft, ist die Suche nach einer passablen Unterkunft am Ende eines langen Reisetages doch mitunter ein mühsames Geschäft. Die Leute von ErlebeKuba hingegen kennen die Unterkünfte, und sie würden ihre Kunden mit Sicherheit nicht in irgendwelche Höhlen schicken, denn dann wäre es mit ihrer Firma im Handumdrehen vorbei. Und was schließlich die Exkursionen anbelangte, so schien uns auch das keine schlechte Idee zu sein. Ausgewählte Guides, die unter dem Druck künftiger Aufträge stehen, würden sich gewiss Mühe bei ihren Führungen geben. Die Parallelen zu Gruppenreisen sind offensichtlich, auch dort werden die Programme detailliert geplant. Doch obwohl wir mehrmals mit Gruppen unterwegs waren, konnten wir uns mit dieser Art zu reisen nie wirklich anfreunden. Hier nun gab es ein ganz anderes Konzept, eines, das wir bis dahin nicht kannten. Und weil es unseren Vorstellungen voll zu entsprechen schien, sagten wir zu.
Und das Urteil nach vier Wochen Kuba? Sollte ich ErlebeKuba Punkte geben müssen auf einer Skala von eins bis zehn, so wären es zehn. Alles bei unserer Reise hat gestimmt. Die Betreuung bei der Vorbereitung der Reise war kompetent, freundlich und engagiert, und was wir vereinbart haben, hat über unseren gesamten Kuba-Aufenthalt hinweg perfekt funktioniert - sowohl das Organisieren eines Mietwagens, die Buchung von Unterkünften sowie die Exkursionen, von denen jede einzelne ein Highlight war. Selten zuvor auf unseren Reisen haben wir Hotels von solch guter Qualität gehabt wie diesmal, gleichgültig ob es sich um Hotels aus der Kolonialzeit handelte oder um moderne. Gut ausgewählt waren auch die Casas Particulares, Unterkünfte in Privathäusern, die seit einigen Jahren auf Kuba erlaubt sind und die das nicht ausreichende Hotelangebot ergänzen. Dass es auch immer mal wieder Defizite bei den Unterkünften gab - eine fehlende Türklinke, ein sehr kleiner Raum oder ein Trampolinbett -, hat uns nicht weiter gestört. Anstatt zu lamentieren, haben wir uns den Spruch zueigen gemacht, den wir oft genug von Kubanern - verbunden mit einem Achselzucken - gehört haben: "That's Cuba!" So ist das halt, wenn man in ein solches Land fährt. Ganz abgesehen davon, dass wir Touristen die ganze Zeit über einen Standard genossen, der dem größten Teil der Bevölkerung verwehrt ist. Wenn jemand ein Recht hat zu meckern, dann sind es eher die Kubaner als wir.
 
Zehn Punkte für ErlebeKuba, ein volles Lob, doch einen kleinen Wermutstropfen gibt es dennoch. Wobei dieser Wermutstropfen teils uns selbst geschuldet ist, teils aber auch der Firma, die sich etwas "fürsorglicher" uns gegenüber hätte verhalten können: Unsere vierwöchige Reise durch Kuba war die anstrengendste Reise, die wir in unserem ganzen Reiseleben jemals unternommen haben! Als wir am Ende unserer Tour mit einer Taxe zum Flughafen fuhren, da waren wir beide so gut wie tot. Was mehrere Gründe hat. Da waren zum einen die für diese Jahreszeit ungewöhnlich hohen Temperaturen, die uns zu schaffen machten, bis annähernd 40°C mit teilweise sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Temperaturen, die den langjährigen Klimatabellen zufolge erst einige Wochen später hätten auftreten dürfen, aber die Klimakatastrophe macht natürlich auch vor Kuba nicht Halt. Sehr anstrengend war auch das Fahren. 2.500 Kilometer waren wir unterwegs, auf Straßen voller Schlaglöcher, in Gegenden, in denen es meist keine brauchbare Beschilderung gab (Navis gibt es auf Kuba noch nicht), in Städten mit häufig sehr engen Straßen, oft Einbahnstraßen, auf denen das Gewusel von unzähligen Pferdekutschen, Fahrrädern und Fahrradrikschas, Motorrädern und Mopeds, kreuz und quer über die Fahrbahn laufenden Fußgängern und diversen Arten von Tieren das Fahren zu einer stressigen Angelegenheit machte. Noch in keinem anderen Land - und wir waren in etlichen Ländern mit einem Auto unterwegs - habe ich das Fahren als so anstrengend empfunden wie auf Kuba. Hart war auch der Lärm, der in den Städten ein Dauerphänomen ist, waren die schwarzen Qualmwolken aus den Autos mit den alten Motoren, die mitunter beinahe die Sonne verdunkelten. Hart war vor allem aber auch die Tatsache - und hier kommt ErlebeKuba ins Spiel -, dass unser Programm übervoll war. Dreizehn Stationen in vier Wochen, nur an wenigen Orten ein Aufenthalt von zwei Tagen, ansonsten nach einem einzigen Tag immer gleich weiter. Natürlich war dieses Programm unsere eigene Entscheidung, schließlich haben wir die von ErlebeKuba vorgeschlagenen Ziele selbst ausgesucht. Aber unser Kuba-kundiger Ansprechpartner hätte gut daran getan, uns als Angehörigen der Generation 60+ zu empfehlen, bei der Zusammenstellung unserer Tour ein wenig kürzer zu treten.
 
 
Egal. Ein paar Wochen sind seit unserer Rückkehr aus Kuba vergangen, und wir sind wieder fit. Was bleibt, ist die Erinnerung an eine tolle Reise. Eine Reise mit vielen Highlights: Städte mit einer faszinierenden Kolonialarchitektur, eine großartige Natur, freundliche Menschen und nicht zuletzt die Musik, ohne die Kuba nicht Kuba wäre. Alles Themen, über die ich in reiselust.me in den nächsten Monaten berichten werde. Allein die Zahl meiner Fotos spiegelt wider, wie viel wir gesehen haben. Nach einer ersten Durchsicht sind knapp 3.000 übrig geblieben, weit mehr, als ich jemals von einer vierwöchigen Reise nach Hause gebracht habe. Bleibt die Frage, ob wir noch einmal mit dieser Firma reisen würden, nicht mit ErlebeKuba natürlich, sondern mit ErlebeX, d.h. in ein anderes Land. Die Antwort ist ein eindeutiges Ja. Das Konzept dieser Firma ist für Leute wie uns wie gemacht: allein unterwegs und nicht in einer Gruppe, aber mit sehr nützlicher Hilfe, was Stationen, Unterkünfte und Programm anbelangt. Wir haben auch schon eine Idee, welches Land unser nächstes Ziel sein könnte. Aber das behalte ich vorläufig für mich.
 
Manfred Lentz
 
 
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