Vom Feinsten
Die Top-Hotels von Las Vegas. USA 2011 (Teil 1)
 
Wir waren noch nie da, aber wir wissen Bescheid. Las Vegas ist ein potemkinsches Dorf, eine gigantische Glitzerkulisse, die edel zu sein vorgibt, aber mit aufdringlichem Protzen nur ihre Schäbigkeit kaschiert. Ein Triumph des Scheins mit billigen Imitaten. Pappmaché und Gips. Und was die Besucher anbelangt: eine Mischung aus Neureichen und Ballermännern, die zu viel trinken, zu laut sind und sich in einem Outfit unter die Menschheit begeben, das man nur als hemmungslos bezeichnen kann. Warum wir angesichts dieser Erwartungshaltung dennoch hinfahren? Ganz einfach: Wir wollen den Südwesten der USA erkunden, und die Stadt, die sich als Ausgangspunkt dafür eignet und in die es überdies ein gutes Flugangebot gibt, ist eben Las Vegas. Und wenn man schon mal da ist, schaut man sich halt auch ein wenig um. Also: Die Sache abhaken und anschließend der eigentliche Urlaub.
 
Nur eine Stunde nach unserer Ankunft in Las Vegas haben wir begriffen, dass von unserem "Bescheid wissen" nur ein einziger Punkt Bestand hat - der mit dem Outfit der Besucher. Wobei es sich dabei noch nicht einmal um eine Besonderheit dieser Stadt handelt. Vergleichbares kennen wir von früheren Reisen, und auch auf dieser erleben wir es in den folgenden Wochen immer wieder: eine Lässigkeit in puncto Bekleidung, der die Umgebung völlig gleichgültig ist und die jeden Rahmen ausschöpft, der ihr gelassen wird. Und dieser Rahmen ist in Las Vegas sehr weit. Ein Umstand, der aus dem Bestreben der Verantwortlichen resultiert, den Besuchern den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Wohlfühlen ist das zentrale Motto der Stadt, denn nur wer sich wohlfühlt, leistet dem Daseinszweck von Las Vegas seinen Tribut: Er gibt Geld aus.
 
 
Dass Las Vegas ein Synonym für Glücksspiel ist, weiß jeder, und für unzählige Menschen war in der Vergangenheit denn auch die Hoffnung auf ein Rendezvous mit der Glücksfee der Grund für ihren Besuch. Doch ist das Geld, das in den Casinos über den Tisch geht, längst nicht mehr die alleinige Einnahmequelle der Stadt. Jenseits von Blackjack, Roulette & Co. ist eine Infrastruktur hinzugekommen, die das Beste, das Edelste und das Teuerste aufbietet, was verfügbar ist und die auf eine neue Klientel neben den traditionellen Zockern abzielt. Weder Gips noch Pappmaché, wie wir Ignoranten erwartet hatten - hier ist alles echt und alles vom Feinsten. Eine Verwöhnorgie gewissermaßen, die bei der Unterbringung in ambitionierten Hotels beginnt und über lukullische Restaurant-Erlebnisse und Shopping in Malls mit geschmackvollem Ambiente bis zu einem Eventmanagement reicht, das den Zuschauern kulturelle Leckerbissen bis zum Abwinken offeriert. Und dazu gehört auch, was unter der Überschrift Themenhotel bereits seit Jahren erfolgreich realisiert wird und was uns mehr als einmal staunend dastehen lässt. "Caesars Palace" etwa: Ursprünglich ein typisches Casino-Hotel und gelegentlicher Austragungsort von Boxkämpfen, hat das Hotel seinen Größe verheißenden Namen zum Programm gemacht. Benannt nach Gaius Julius Caesar, dem Herrscher des antiken Roms, soll es dessen einstige Pracht widerspiegeln - mit Tempeln und Zypressen, mit Brunnen, Bögen und Büsten, die den riesigen, auf sechs Türme verteilten Komplex mit seinen rund 4.000 Zimmern und Suiten zieren, dazu ein Einkaufszentrum mit exklusiven Geschäften, ein weitläufiger Pool- und Gartenbereich und natürlich - wenngleich nicht wie früher alleiniger Mittelpunkt des Unternehmens - das obligatorische Spielcasino. Ergänzend dazu wurde im Jahr 2003 das Colosseum eröffnet, ein modernes Theater mit 4.000 Sitzplätzen, dessen Äußeres an das antike Kolosseum in Rom angelehnt ist und das Brot und Spiele auf moderne Art präsentiert, in raffinierten Shows mit Weltstars wie Elton John, Celine Dion und Cher. Themenhotels sind auch das nach dem Schwert von König Artus benannte "Excalibur" mit seinen blau-rot-goldenen Türmchen, das aussieht wie eine überdimensionierte Spielzeugburg aus dem Mittelalter (Ritterspiele und tägliches Abendmahl im Stil von Artus' Tafelrunde inbegriffen) und das "Luxor", eine anthrazitfarbene Pyramide mit einem Sandsteinobelisken und einer zehn Stockwerke hohen Sphinx davor, letztere anders als das ägyptische Original in unbeschädigtem Zustand. Mit einer Höhe von 107 Metern ist das "Luxor" die viertgrößte Pyramide der Welt, zusammengesetzt aus 39.000 Fenstern, durch die der Besucher einen großartigen Blick auf die Stadt und die Wüste ringsum hat.
Einem anderen Themenhotel habe ich bereits einen früheren Bericht gewidmet - dem "Venetian", einem Venedig-Nachbau inklusive Rialtobrücke, Dogenpalast und Campanile, in dem man Gondel fahren und über den Markusplatz bummeln kann. Nur zwei Kilometer entfernt steht das "New York New York", ein Hotel mit einer Skyline wie Manhattan, mit Freiheitsstatue und Brooklyn Bridge sowie einer sich um den Komplex herum- und in ihn hineinwindenden Achterbahn. Auch Paris ist präsent. Schon von Weitem weist der Eiffelturm den Weg zum "Paris Las Vegas", der nur deshalb nicht die gleiche Höhe besitzt wie das französische Original, weil die Flugsicherung des nahegelegenen Airports ihm Grenzen gesetzt hat. Schließlich das "Mirage" mit seinem Entree aus Palmen, Bromelien und Orchideen und einem riesigen Aquarium hinter der Rezeption. Und mit einem hauseigenen Vulkan vor der Haustür, einem "aktiven". Sehr authentisch ist sein Ausbruch zwar nicht, aber auf jeden Fall ein sehenswertes Spektakel mit einer faszinierenden Pyrotechnik und ausgefeilten Effekten, die jedem Filmemacher zur Ehre gereichen würden. Erst zischt und brodelt es, dann entweichen "Gasschwaden" aus dem Vulkan, Musik ertönt, und als Höhepunkt schießen Flammen empor. Selbst aus einiger Entfernung spüren wir noch die Hitze aus der "Unterwelt" auf unserer Haut. Ein zwanzigminütiger Event, der jedes Mal Scharen von Zuschauern anzieht und - ein Trost für die Zu-spät-Gekommenen - nach einer Stunde von neuem beginnt.
 
 
Ganz anders, aber nicht weniger eindrucksvoll ist die vielgerühmte Wassershow des "Bellagio", jenes Hotels, das wir uns - nach dem Motto: Man gönnt sich ja sonst nichts - für die letzten Tage unseres Vier-Wochen-Trips durch den amerikanischen Südwesten ausgesucht haben. 1.200 Düsen in einem drei Hektar großen künstlichen See, die von Musik untermalt ein Ballett aufführen. Einige der Düsen schießen Wasser 140 Meter in die Höhe, andere lassen ihre Strahlen "tanzen", dabei angestrahlt von tausend Lampen und bestaunt von tausend Touristen, die sich andächtig allabendlich dem Zauber dieser Vorführung hingeben. Das zu den "Leading Hotels in the World" gehörende "Bellagio" ist vielleicht das bekannteste aller Hotels in Las Vegas, nicht zuletzt infolge der Filme "Ocean's Eleven" und "Ocean's 13", die dort gedreht wurden. Eine beeindruckende Zahl von 8.000 Mitarbeitern sorgt für das Wohl der Gäste, die sich auf 4.000 Zimmer und Suiten verteilen, es gibt eine Poolanlage im Stil der italienischen Landschaft am Comer See, an dem sich die namengebende Gemeinde Bellagio befindet, ferner eine Kunstgalerie sowie ein Theater und eine Ladengalerie, in der von Chanel und Hermes über Armani, Gucci und Prada bis zu Yves Saint Laurent und Tiffany kein teurer Name fehlt. Für den aufwändigen Blumenschmuck im Haus zeichnen sage und schreibe 140 Gärtner verantwortlich. Eine weitere Attraktion des Hotels ist der bei Insidern legendäre "Bobby's Room", in dem alljährlich das Big Game stattfindet, Poker vom feinsten und - wie naheliegend - vom teuersten. Wer hier mitspielt, muss bereit und in der Lage sein, wenigstens 20.000 Dollar einzusetzen. Eine Veranstaltung, die uns absolut gleichgültig gelassen hätte, wären wir bei unserem Aufenthalt nicht ahnungslos in die Meisterschaft dieses Jahres hineingeraten. Eine Ahnungslosigkeit, die uns - Hotels passen ihre Übernachtungspreise solchen Ereignissen an - einen Zimmerpreis von stolzen 350 Dollar für den betreffenden Tag bescherte.
 
(Wird fortgesetzt)
 
Manfred Lentz (November 2015)
 
 
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