Bei dem folgenden Bericht handelt es sich um einen Gastbeitrag.
 
 
 

Zahnärztliche Einsätze in der Dritten Welt.
Ein Bericht von Dr. Klaus-Dieter Berling
 
 
Mein Name ist Klaus-Dieter Berling. Ich bin mit Manfred Lentz auf demselben Gymnasium in Berlin gewesen und war bei der zehnwöchigen Reise um das halbe Mittelmeer 1972 mit ihm und unseren Frauen dabei (siehe Bericht 21 und Bericht 42).  Ich habe Zahnmedizin studiert, eine Praxis gegründet, und nachdem ich 1993 einen Partner in die Praxis aufgenommen hatte, konnte ich meiner Leidenschaft, dem Reisen in Kombination mit meiner Arbeit als Zahnarzt frönen.
 
Ich bin seitdem alle drei Jahre in Ländern wie den Philippinen, Kolumbien, Venezuela, Kenya, Albanien, Mongolei und Nepal gewesen. Organisationen wie "Ärzte für die Dritte Welt", "Arzt- und Zahnarzthilfe Kenya e.V." und "Zahnärzte ohne Grenzen" halten die Organisation vor, ich selbst bezahle die Flugkosten und verpflichte mich, für 3-6 Wochen unentgeltlich in den Ländern zu arbeiten. Unterkunft und Verpflegung werden gestellt und orientieren sich an den Lebensverhältnissen vor Ort (gelegentlich schläft man mit acht Personen auf dem Bambusboden). Ich nehme einige Materialien wie Anästhetika, Bohrer, Zangen usw. mit. Die Behandlung findet zum Teil in einer festen Ambulanz statt, mit einheimischen Helfern, die übersetzen. Aber es werden auch entlegene Gebiete angefahren, wo in Schulen, Gemeindehäusern oder unter freiem Himmel behandelt wird. Auf diesen Ausflügen können nur Zähne gezogen werden, und das geschieht immer vor einer großen Zahl von Zuschauern. Auch sonst werden überwiegend Schmerzbehandlungen durchgeführt, da die Leute oft zum ersten Mal beim Zahnarzt sind und kein Geld für einen einheimischen Zahnarzt haben, falls es in ihrer Nähe überhaupt einen gibt.
 
 
Exemplarisch will ich über meinen letzten Einsatz in Nepal im Januar 2013 berichten. Für "Zahnärzte ohne Grenzen" war ich vier Wochen in Shaku, etwa 20 km östlich der Hauptstadt Kathmandu. Dort betreibt "Interplast Germany e.V." seit 1997 ein Hospital für plastische Chirurgie mit 50 Betten, in dem deutsche Ärzte unentgeltlich operieren. Hier werden angeborene Fehlbildungen wie Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten, Verbrennungen und andere Missbildungen operiert. Es gibt natürlich auch nepalesische Ärzte, die den Krankenhausbetrieb aufrechterhalten. Genauso lange existiert dort eine Zahnstation, in der deutsche Zahnärzte bedürftige Patienten behandeln. Man wohnt im Hospital, kann in der Kantine für einen Euro nepalesisch essen und behandelt sechs Tage in der Woche, der Sonnabend ist frei. Da viele Patienten kein Englisch verstehen und das erste Mal beim Zahnarzt sind, hatten meine beiden Helfer viel zu übersetzen und zu erklären.
Der arbeitsreichste Tag war ein sogenanntes Camp. Wir fuhren morgens um 8 Uhr in einem Jeep über mit Schlaglöchern übersäte Straßen, bis wir nach einer Stunde in der Schule eines kleinen Bergdorfes ankamen. Da es in den Räumen kein Licht gab (in Nepal gibt es jeden Tag Stromausfälle) und die morgendlichen Temperaturen bei 0°C lagen, dazu weder Fenster noch Heizungen in den Räumen existierten, haben wir die Behandlung auf das Flachdach der Schule verlegt. Es waren 150 Patienten angemeldet, von denen zum Glück nur 90 kamen. Bei etwa 50 von ihnen mussten Zähne gezogen werden, den anderen wurde angeraten, zur Behandlung ins Hospital zu kommen. Mittags wurde in einer "Imbissstube" Reis mit Bohnen gegessen und danach weiter bis Sonnenuntergang behandelt.
 
Das war ein anstrengender, aber auch ein befriedigender Tag, während ich im Hospital manchmal nur rumsaß, wenn kein Patient kam. Entsprechend hatte ich auch Mußestunden, die allerdings unter der Kälte litten, da diese Häuser nicht so gedämmt sind wie unsere und nur wenige Gasöfen existieren.
 
 
Beeindruckend ist die Ehrlichkeit dieser armen Menschen. So wurde mir meine liegen gelassene Brieftasche umgehend wieder gebracht, und als ich einen Patienten wegen eines größeren chirurgischen Eingriffs mit 30 € in die Klinik nach Kathmandu schickte, brachte er mir ganz selbstverständlich die 20 € zurück, die er nicht gebraucht hatte.
 
Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt. 72 % der Frauen und 38 % der Männer sind Analphabeten. Das monatliche Durchschnittseinkommen liegt bei 18 €. Auf einen Arzt kommen 4.800 Patienten, die staatlichen Gesundheitsausgaben betragen jährlich gerade mal 20 € pro Einwohner. Gleichzeitig ist Nepal ein interessantes Land mit geduldigen und freundlichen Menschen, die tief religiös sind. Das Land hat aber so viele Probleme mit dem Zustand der wenigen Straßen, der Versorgung mit Strom, Wasser und anderen für uns selbstverständlichen Dingen, dass ich dankbar war, nach vier Wochen wieder nach Deutschland zurückfliegen zu dürfen. Doch ich habe auch viel für mich mitgenommen, gemäß den Worten von Johann Wolfgang von Goethe: "Wer nichts für andere tut, tut nichts für sich."