Vom Leben einer Farmersfamilie in Namibia.
Ein Bericht von Lilly Frank-Schultz
Im Oktober 2012 waren wir vier Wochen in Namibia unterwegs. Auf dieser Reise haben wir unter anderem die Burg Duwisib besucht, ein skurriles Bauwerk aus der Zeit, als Namibia noch die Kolonie Deutsch-Südwestafrika war (siehe Bericht 37). Unmittelbar neben der Burg befindet sich die "Duwisib Guestfarm" von Christian und Lilly Frank-Schultz. Auf ihr haben wir zwei Tage verbracht. Neben dem Farmbetrieb ist der Tourismus ein zweites Standbein der Familie - gemütliche Unterkünfte, leckere Mahlzeiten und interessante Gespräche, bei denen man viel über Land und Leute erfahren kann. Beim Abschied habe ich Frau Frank-Schultz gefragt, ob sie Lust hätte, für reiselust.me einen Bericht über das Leben einer Farmersfamilie in Namibia zu verfassen. Zu meiner Freude hat sie Ja gesagt, wofür ich ihr an dieser Stelle noch einmal herzlich danke!
 
Mit der Burg Duwisib beschäftige ich mich im Bericht 73. Die Fotos in dem folgenden Bericht stammen von mir.
 
Manfred Lentz
 ,,Hart wie Kameldornholz ist unser Land,
Und trocken sind seine Reviere.
Die Klippen, sie sind von der Sonne verbrannt,
Und scheu sind im Busch die Tiere.
Und sollte man uns fragen:
 Was hält euch denn hier fest?
Wir könnten nur sagen: Wir lieben Südwest!"
Unser altes Südwesterlied ist nicht in Vergessenheit geraten. Die Unabhängigkeit im Jahr 1990 brachte viele Veränderungen mit sich, unter anderem eine Namensänderung des Landes - Südwestafrika heisst heute Namibia. Alles andere aus dem Lied ist dagegen geblieben: Das harte Kameldornholz, die trockenen Reviere und die Klippen werden nach wie vor von der Sonne verbrannt, und die Tiere im Busch sind nicht zahmer geworden - aber leider, leider viel weniger, denn mit dem eingezäunten Farmland und der Viehzucht wurde ihr Lebensraum begrenzt. Die Springbock-Herden, die es früher auf unserer Farm gab, gibt es nicht mehr. Kudus und Gemsböcke sieht man von Zeit zu Zeit, sie springen über die Zäune und suchen sich Nahrung, wo immer welche vorhanden ist. Das ist natürlich in der Trockenzeit für sie ein Vorteil. Springböcke wagen nicht solche Sprünge.
 
Eine Farm im Südwesten Namibias, am Rand der Namibwüste, der ältesten Wüste der Welt. Knapp 6.000 Hektar Land. Dazu muss ich ganz schnell einfügen, dass es sich bei uns nicht um eine intensive Farmwirtschaft handelt, sondern um eine extensive. Das bedeutet, dass der Farmer für ein Großvieh (Rind) 40 Hektar Land benötigt und für ein Kleinvieh (Schaf oder Ziege) 6 Hektar. Bei einer durchschnittlichen Regenmenge von weniger als 200 mm im Jahr ist das die Grundregel für einen Farmbetrieb, der nicht Raubbau an den Weiden betreiben will. Gewiss, die letzten Jahre waren eine goldene Ausnahme, da hatten wir Regen wie nie zuvor, über 300 mm!!! Die dadurch entstandene Euphorie und die Hoffnung auf eine für den Farmbetrieb eventuell günstige Klimaveränderung mussten inzwischen allerdings der harten Wirklichkeit weichen:
 
 
Wir schreiben das Jahr 2013. Die Wolkenbildung ist teilweise gut. Aber die Erde wird nur ab und zu von einem leichten Regenschauer genässt - ganze 40 mm Niederschlag (ich benutze bewusst nicht das Wort Regen) hatten wir in diesem Jahr. Das Wort DÜRRE ist in aller Munde. Das bedeutet, dass wir den Viehbestand drastisch reduzieren müssen, denn das Zufüttern in großem Maßstab ist unrentabel. Eine Subventionierung von seiten der Regierung ist nicht in Aussicht. Kein Farmer kann es sich aber leisten, in die roten Zahlen zu kommen.
 
Wie lebt es sich nun auf einer Farm? So ganz j.w.d. - die nächste kleinere Ortschaft ist ca. 100 km entfernt, keine Teerstraße, sondern Schotterstraße, die schont natürlich nicht die Reifen! In dieser Ortschaft namens Maltahöhe gibt es nur das Allernotwendigste: Benzin, Diesel, Viehfutter, auch Brot und Margarine - allerdings keine Butter, die gibt es in der nächstgrößeren Kleinstadt Mariental. Dort kann man auch frisches Obst und Gemüse kaufen (manchmal reicht der eigene kleine Obst- und Gemüsegarten halt nicht aus). Alles Sonstige - vom Autoreifen über Tiermedizin bis zu Frischmilch - kann dann von der ellenlangen Besorgungsliste gestrichen und aufs Auto geladen werden.
 
Der Farmer der nächstgelegenen Farm, mit Wohnsitz in der Landeshauptstadt Windhoek, kommt einmal im Monat und schaut auf seiner Farm nach dem Rechten.
 
Für Tagungen der Farmervereinigung oder Farmgottesdienste (es wird zwischen den einzelnen Farmen gewechselt), muss mindestens eine Anfahrt von eineinhalb Stunden gerechnet werden, je nachdem wo sie stattfinden.
Fühlt man sich auf der Farm einsam? Viel Zeit zum Nachdenken bleibt nicht, der Alltag mit seinen mannigfaltigen Herausforderungen lässt keine Langeweile aufkommen. Vieh- und Weidewirtschaft erfordern, dass die Tiere von Zeit zu Zeit auf andere Weiden gebracht werden. Für Kalbungen und Lammungen werden die Muttertiere näher ans Haus gebracht. So hat man sie gut im Auge und kann, falls notwendig, rechtzeitig Hilfestellung leisten. Leider kann im Notfall der nächste Tierarzt nicht schnell geholt werden. Deshalb ist es erforderlich, dass sich der Farmer selbst auskennt und sich zu helfen weiß.
 
Das Kleinvieh wird entweder von unserem anatolischen Hund Tag und Nacht draußen auf der Weide bewacht oder von einem geduldigen Hirten, der es nachts in einen Kraal bringt (ein kleines Gehege aus Maschendraht und Pfählen).
 
Jetzt wird es dem Leser wohl klar: Der namibische Farmer muss einen guten Wissensstand haben, er muss Klempner und Maurer sein, Elektriker und Buchhalter und auch noch ein Veterinärmediziner. Man kann eben nicht mal schnell einen Fachmann kommen lassen, dafür sind die Entfernungen zu groß.
 
Wasser wird aus 80-150 m Tiefe vom Windrad oder von einer Solarpumpe an die Oberfläche gepumpt. Durch Plastikrohrleitungen wird es zu Wasserreservoirs, Tränken oder zu unserem Haushalt weitergeleitet.
 
Leider sind die entlegenen Farmen nicht an das allgemeine Stromnetz angeschlossen. Also mussten wir tief in die Tasche greifen und in Sonnenenergie investieren. Kühl- und Gefrierschränke, teuer im Einkauf, aber stromsparend im Verbrauch, sorgen dafür, dass sich unsere verderblichen Lebensmittel halten. Der geräuschvolle Generator hat seine Schuldigkeit getan und wird nur ein paar Mal im Jahr benötigt, wenn der Himmel tagelang bewölkt ist. Das kam in diesem Jahr leider nicht vor.
 
Ein paar Hühner versorgen unseren Haushalt mit Bioeiern. Gänse, Puten und zahme Strauße erfreuen einfach mein Farmerin-Auge und veranlassen beim Kalkulieren der Futterrechnung ein kurzes Stirnrunzeln beim Jungfarmersohn. Mehr nicht.
 
 
 
Somit ist die Alltagsroutine festgelegt: Planung, Betreuung, Instandhaltung, Besorgungen - Familienzeit abends und der gelegentliche Austausch mit Gleichgesinnten bei Tagungen der Farmervereinigung oder Farmgottesdiensten. Es ist ein Leben, das nicht im grauen Alltagstrott gelebt wird, sondern von Naturverbundenheit, Tierliebe und Achtung vor dem Leben schlechthin geprägt ist.
 
Ist das Leben im Busch nicht gefährlich??? Raubtiere, und tja, auch Schlangen!!! Schakale und Rotkatzen bekommt man schon zu Gesicht, von den Leoparden und Geparden sind oft nur Spuren im Sand zu sehen. Und mit den Schlangen, der schwarzen und der gelben Kobra, lässt es sich leben. Sie haben meist das Pech, vom Menschen zuerst gesichtet zu werden, und damit ist ihr Los besiegelt.
 
In Namibia werden 30 Sprachen und Dialekte gesprochen. Die Lingua franca ist Afrikaans bei den älteren Jahrgängen. Amtssprache ist Englisch, und Englisch ist auch die Lingua franca der Jugend. Ja, und in Namibia wird auch ... Deutsch gesprochen!
 
Die deutsche Sprache ist Teil der namibischen Geschichte. Südwestafrika, die ehemalige Kolonie, hatte von 1884-1915 Deutsch als Amtssprache. Heute gehört Deutsch zu den gleichrangigen Nationalsprachen. In Namibia gibt es Privatschulen für Deutsch sprechende Kinder, und auch an den Staatsschulen können Schüler/innen Deutsch als Unterrichtsfach belegen. Somit bleibt die sprachliche und kulturelle Verbundenheit zur Heimat der Vorfahren erhalten, es bleibt der Kontakt zu der Familie im fernen Deutschland. Das Lebkuchenpaket aus Nürnberg und die deutschen Weihnachtslieder zu Weihnachten, die Märchen der Gebrüder Grimm und die deutschen Volkslieder bleiben mit Freude und Dankbarkeit Teil unseres Lebens. Und ebenso wie unser Sonnenland jährlich viele deutsche Touristen beherbergt, so wird von vielen Deutschen in Namibia mehr als einmal im Leben ein Flug von Windhoek nach Frankfurt gebucht ... mit Rückflug natürlich, denn ...
 
... sollte man uns fragen: Was hält euch denn hier fest?
Wir könnten nur sagen: Wir lieben Südwest (das ehemalige) und das heutige Namibia!
Liebe verbindet und bindet ...